Wandel

Wie soll Darmstadt in 20 Jahren aussehen?

Wie kann eine Stadt wie Darmstadt den Wandel zu einer nachhaltigen Stadtgesellschaft, zu einem ökologisch sinnvollen Verkehrssystem und zu einem lebenswerten Ort der Zukunft schaffen? Um diese Fragen ging es bei den Tagen der Transformation, die im Januar 2019  von der Schader-Stiftung und dem Öko-Institut in Darmstadt veranstaltet wurden.

Auf der mehrtägigen Veranstaltung, die sich unter anderem auch den Themen „Green Transformations in the Global South“ und der Wissensvermittlung zwischen Wissenschaft und der Gesellschaft widmete, fanden diese Diskussionen zu Perspektiven für Darmstadt vor allem am ersten Tag statt, der unter dem Motto „Urbane Zukunftskunst“ stand.

Schon ein erster Blick auf die Teilnehmerliste zeigte dabei: Das große Thema „Transformation“ interessiert hier in Darmstadt nicht nur Wissenschaftler und Stadtplaner. Viele regionale Projekte und Initiativen, wie das Hofgut Oberfeld, die Solidarische Landwirtschaft Darmstadt,  Permakultur Darmstadt, das Heinersyndikat, Transition-Town-Initiativen und viele mehr waren vor Ort, um sich zu vernetzen und ihre Ideen für ein nachhaltiges Darmstadt in die zahlreichen Workshops einzubringen. Dabei ging es etwa um den „Darmstadtbecher“, einen umweltfreundlichen Mehrwegbecher, der von Studenten der Hochschule Darmstadt entwickelt wurde und ab 2019 dabei helfen soll, den Müll durch To-Go-Becher in Darmstadt zu reduzieren.

Die Lincolnsiedlung als Vorzeigeprojekt?

Ich habe den Workshop zum Verkehrskonzept der Lincolnsiedlung besucht – schließlich soll dieses Viertel ein Musterbeispiel für nachhaltige Stadtentwicklung werden und zeigen, wie ein Stadtviertel in Darmstadt in Zukunft aussehen könnte. Stadtplanerin Gisela Stete stellte das Verkehrskonzept vor, das unter anderem mehrere Bike – und Car-Sharing- Punkte in der Lincolnsiedlung sowie eine gute Anbindung an den ÖPNV vorsieht. Die Lincolnsiedlung sei aber kein „autofreies Quartier“, stellte sie klar – 0,65 Parkplätze pro Wohneinheit werden bereitgestellt, das ist nur etwas weniger als der Durchschnitt von 0,7 Autos pro Wohneinheit in Darmstadt. Allerdings liegen die Parkplätze nicht direkt an den Wohnungen, sondern am Rande des Quartiers, um eine „Gleichheit der Verkehrsmittel“ sicherzustellen – sowohl Bahnhaltestelle als auch Parkplätze liegen demnach etwa 300 Meter von den Wohnungen entfernt. Außerdem sind die Parkplätze bewirtschaftet, kosten also Geld – ein weiterer Anreiz, auf ein Privatauto zu verzichten. Obwohl das Konzept insgesamt viel Zustimmung bekam, ging die „Verkehrswende“ manchen Workshopteilnehmern noch nicht weit genug – sie fragten sich etwa, ob die 0,65 Parkplätze pro Wohneinheit in Zukunft wirklich nötig seien, wenn Carsharing und Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren sich weiter durchgesetzt hätten. Sehr positiv aufgenommen wurden auch Vorschläge wie eine Verteilstation für Pakete oder ein Lieferservice vom nahegelegen Alnatura-Supermarkt oder dem Bessunger Markt.

„Darmstadt ist eine Insel“

Prof. Dr. Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie bezeichnete Darmstadt in seiner Eröffnungsrede als einen wichtigen Experimentierort für den gesellschaftlichen Wandel. Das Potential von Darmstadt, erklärte er, liege in der umweltbewussten und überdurchschnittlich gebildeten Bevölkerung und dem hohen Engagement seiner Bürger. Doch der Fokus auf Darmstadt birgt auch Risiken, wie ausgerechnet Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch in seiner Rede klarstellte: „Das Narrativ ist: Die Städte sind Vorreiter, das Land ist unaufgeklärt“. Er attestierte den Städten eine „Ignoranz und Hochmut“ gegenüber ländlichen Räumen und forderte dazu auf, die ländliche Dimension auch in Fragen des Umweltschutzes ernster zu nehmen. Dieses Problem, bestätigt auch Dr. Tobias Robischon von der Schader-Stiftung in Darmstadt, sei typisch für Darmstadt: „Darmstadt ist eine Insel“, sagt er – die Darmstädter bezögen sich mehr als die Bewohner anderer Städte auf sich selbst, das Umland sei für sie häufig eine „Blackbox“. Das habe, so Robischon, auch eine wissenschaftliche Studie zu den Eigenarten verschiedener Großstädte ergeben, die vor einigen Jahren an der TU Darmstadt durchgeführt wurde. „Vielleicht\“, erklärte deshalb auch Uwe Schneidewind in der Diskussionsrunde mit Jochen Partsch – „ist gerade der Odenwald eine riesige Chance für Darmstadt?“

Titelbild: Brainstorming zum Thema „nachhaltiger Konsum“ während der Tagung. Quelle: Schader-Stiftung Darmstadt.

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